ALLGEMEINES
1.12) Von der Großen Göttin zur Gottesmutter Maria a) Die Große Göttin Trotz der indogermanischen Invasion über ganz Europa, die eine Patriarchalisierung brachte, konnte dieser alte Glaube nicht gänzlich aus dem Volke ausgelöscht werden. Die Große Göttin blieb die Gebärerin und Lebensspenderin, die Schicksalsgöttin in ihrer einfachen und dreifachen Erscheinung in den Glaubensvorstellungen vieler europäischer Regionen. Entsprechend des Überganges in die neue Bewusstseinsstufe wurde diese Dreiheit als der Zyklus des gesamten Lebens erkannt. Mit den Phasen des Mondes trat der Faktor Zeit und das Messen (dieses Wort stammt etymologisch vom Mond) der Zeit in das Leben der Menschen. Im Erkennen des »wie oben – so unten«, wurden Kulthandlungen bereits im Altpaläolithikum dreifach durchgeführt. In ihrer Dreiheit wurde die Große Göttin vermutlich etwa 8000 v.Chr. verehrt (Karpaten?). Möglicherweise brachten die Kelten mit ihren dreiköpfigen Gottheiten und der Dreigestalt der Göttinnen diese Gottesvorstellung zu uns nach Mitteleuropa. Die vermutlich ersten Darstellungen finden wir in den Matronen, kurz nach Christi Geburt, und verschwinden wieder mit der Auflösung der keltischen Stammeskultur. b)
Die weibliche Dreifaltigkeit oder die Bethen
Diese drei Göttinnen überschäumenden Lebens wurden dann im Laufe der Patriarchalisierung zu Schicksalsgöttinnen (Parzen, tres fortunae), die mitunter nur tötende, lebensfeindliche Züge erhalten.
Die dreigestaltige Göttin ist in unzähligen Kulturen nachweisbar und ist heute noch in Volksglauben, Volksfrömmigkeit, Brauchtum und Flurnamen lebendig. Diese Drei Göttinnen wurden auch die »Drei Jungfrauen« oder BETEN genannt, denn in ihren Namen haben alle drei das BET: Borbet, Ambet, Wilbet. Im keltischen heißt bet immerwährend, ewig = unbesiegbares Leben, daher sind die drei Beten die Verkörperung und Inbegriff des immerwährenden, ewigen, unbesiegbaren Lebens; sie sind »die drei Ewigen«, von deren Macht und gütiger Hilfe Erde, Sonne und Mond als die sichtbaren Träger der ewigen Weltwirklichkeit künden. Das Wort bit-u oder bit-o (kelt.) bedeutet nicht nur »ewiges Leben« sondern auch »Welt« – somit ist bet die Gesamtheit unserer Welt, zu der auch die Ewigkeit gehört. Hier sind Welt und Zeit und Ewigkeit nicht drei verschiedene Begriffe, sondern hier offenbart sich eine wunderbare »Glaubensformel«: »Welt und Zeit und Ewigkeit sind ein und dasselbe, sind nur verschiedene Erscheinungs- und Erlebensformen der einen Wirklichkeit Leben.«
Reste von den ursprünglichen Drei Heiligen Frauen finden wir in den Märchen, Sagen und Legenden unserer alpenländischen Heimat. Wir finden sie dann immer in der Dreizahl als Jungfrauen, Waldfrauen, Saligen, Putten, Königinnen, Großmütterchen, Zauberfrauen, Schlossfräulein, Wasserfräulein, Schwestern, Nonnen, Heiligen usw. Die Herkunft der Namen sagen uns heute noch sehr viel über Wesen und Wirkungsgeschichte dieser Göttinnen: Weiße Jungfrau-Göttin (Sonne, Borbet) Borbet ist die mütterliche Sonne, aus der Höhe spendet sie Wärme und strahlendes Licht. Der Borbet ist das Sonnenkälbchen heilig und auf ihren Kultstätten weisen viele Namen, die mit Osten zusammenhängen als der Himmelsrichtung, aus der die Sonne kommt. Viel Sagen erzählen davon, dass die Burg der »drei Fräulein« auf dem Österberg oder im Österholz liegt. Rote Mutter-Göttin (Erde, Ambet) Ambet ist die Personifikation der jungfräulich-mütterlichen Erde. Aus ihren Brunnen und Teichen holt man die Kindlein; sie birgt Asche und Leib der Toten in ihren unterirdischen Grabkammern und Begräbnisstollen. Ihre Nachfolgerin im christlichen Kult ist die Mutter Anna, Patronin der Bergleute und überall gibt es Annen-Friedhöfe und die Annen-Hospitäler für die alten Bresthaften. Schwarze Göttin/weise Alte (Mond, Wilbet)
Sie ist die Mondmutter, die Herrin des eigentlichen Lebensborns, des ewigen
und als Vegetationsgöttin, der Hüterin der schlummernden Samen
und der auf die Wiedergeburt wartenden Toten. Von ihr in erster Linie
hängt Wachsen und Gedeihen ab. So ist die Weise Alte Wilbet auch die Schützerin gesegneter Frauen, zu ihr kommen sie in ihren Nöten und Krankheiten. Orakel und Wegweisung ist ihnen die Scheibe der göttlichen Frau, so wie noch heute der Bauer bei Saat und Ernte und übriger Hantierungen auf die Mondzeit achtet. In den Märchen ist sie die fürsorgliche Frau Holle. Das verborgene Reich der Holle ist aber keine düstere Höhle oder gar Hölle, sondern ein lichter Ort mit herrlich grünen Wäldern und Wiesen, mit Blumengärten und Obstbäumen. Frau Holle, die bei den Engländern als Mother Goose (Gänsemutter) bekannt war, ist auch Herrin des schamanischen Flugs. Ihre Gans ist ein uraltes Symbol für die Reise in die Anderswelt, wo die Schamanin oder die später zur Hexe umgedeutete fliegende Frau den Ahnengeistern begegnet 24). Zu Samhain oder auch Halloween genannt, das um den 1. November gefeiert wird, öffnet die Göttin der Unterwelt die Pforten, damit die Toten die Lebenden und die Lebenden die Toten besuchen können – noch heute gedenkt man zu dieser Zeit der Toten. Dazu kommt sie weißhaarig, in weißem Gewand, auf einem weißen Pferd geritten, sie ist ja die Weiße Frau in vielen Legenden und Sagen. In christlicher Zeit wurde der Zug der Frau Holle zum Martinszug weitertradiert. c)
Weitertradierung im Christentum Im Spätmittelalter taucht in der Volksfrömmigkeit und in der
Kunst die Dreiheit von heiligen Frauen auf, bei denen man vermuten kann,
dass sie der Tradition der heidnischen drei Göttinnen entsprechen.
Die wichtigsten waren: Etwa im 14. Jahrhundert wüteten in Europa viele Seuchen, vor allem die Pest. Da alle bisherigen Heiligen vor diesen Menschheitsgeiseln nicht geholfen haben, erinnerte man sich wieder der »heidnischen Göttinnen« und es kam zum Wiederaufleben der alten Verehrung, und viele Wallfahrten hatten eine Kirche mit den »Drei heiligen Madeln« zum Ziel. An der Orgel zu Schildturn (Nähe Starnberg) befindet sich eine Tafel, wonach, »als 1419 im Enstal die pest grausamb wuettete«, alle die sich nach Schildturn verlobten, verschont blieben. Sie wurden wieder – wie früher – zu Patroninnen allerlei
Nöte und Vorsorgen: Matthias Zender 25) findet Ballungen der Dreifrauenkulte im Raume Köln, im Raum Gondelsheim, Elsaß und Bayern. Doch kann man dies auch eindeutig von Österreich feststellen. Es gibt fast keine Kirche, in der nicht wenigstens zwei der drei Heiligen auf Haupt- und/oder Nebenaltar dargestellt sind. Aufgrund der Forschungen des Autors konnte festgestellt werden, dass ursprüngliche Drei-Göttinnen-Heiligtümer später christliche Kirchen mit dem Patronat von St. Nikolaus oder St. Leonhard wurden. Es gibt den Brauch, zum Jahreswechsel am Hauseingang die Segens- und Schutzformel zu schreiben, heute geschieht es meistens durch die Sternsinger: »20 + C + M + B + 06« In christlicher Tradition wird diese Segensformel für die Heiligen Drei Könige »Caspar + Melchior + Balthasar« bzw. »Christus + Mansionem + Benedicat« (= Christus segne dieses Haus) interpretiert. Es gibt auch viele Argumente dafür, dass das C+M+B seinen Ursprung von Catharina + Margarete + Barbara hat, den Drei Heiligen Frauen (Weibliche Heilige Dreifaltigkeit), die in ihrer liebevollen Zuwendung das Haus schützen sollen. d) Verchristlichung der drei Beten zum Heiligen Leonhard Der
Name Leonhard Der Heilige Leonhard Einige der Leonhardkirchen haben eine solche Kette, doch ist zu vermuten, dass der Hintergrund die Erdmutter ist, die hier verehrt wurde. Kett stammt in der Wortwurzel von Erde, wie die Erdhütte Kate und der Kot. Und die Erdmutter (Einbet) ist ja vor allem zuständig für das Gedeihen des Viehs und für die problemlose Geburt und den Kindersegen. Daher finden sich in den Leonhardkirchen Frauenaltäre aller drei Heiligen Frauen, mindestens der Margarete oder die Mutter Maria auf der Erdkugel mit Schlange (=Symbol der Erdkräfte). In mehr als 50 bayerischen Pfarren gibt es heute noch Leonhardiwallfahrten mit Leonhardiritten und es ist wunderlich, wie ein französischer, nur in Legenden nachzuweisender Heiliger in unserem Raum so eine Popularität gewinnen konnte. e)
Verchristlichung der drei Beten zum Heiligen Nikolaus Der Ursprung, dass wir unsere Kinder am Nikolaustag, den 6. Dezember beschenken, stammt von der Legende, dass er drei Jungfrauen (!), die an ein Bordell verschenkt werden sollten, da der Vater keine Mitgift für sie hatte, drei Goldene Äpfel als Heiratsausstattung schenkte. Daher wird Nikolaus meist mit den drei goldenen Äpfeln dargestellt. Es liegt klar vor uns, dass es drei Jungfrauen sind, die die Venusfrucht des Apfels bekommen. Aus den bisherigen Forschungen kann zusammengefasst werden, dass in vielen Nikolaus-Kirchen Plätze mit den Qualitäten von einer oder mehreren der drei Beten gefunden werden konnten. Meist sind es Kirchen mit einer lieblichen Energie-Qualität, die auch in der Ikonographie der Kirche zum Ausdruck kommt. Oftmals weisen auch die Dachformen der Kirchtürme dieser Nikolaus-Kirchen auf eine »Mond-Qualität« (Sichelform und schwarz), die normalerweise nur bei Marien-Kirchen zu finden sind (Beispiel: Windhag bei Waidhofen an der Ybbs). Nikolaus ist auch der Patron der Schiffsleute, Matrosen, Flößer und Müller und hilft gegen Wasser- und Seenot. Es könnte dabei ein Zusammenhang bestehen, dass man in vorchristlicher Zeit bei allen Wassergefahren zum Wassergott Nick oder zur weiblichen Nixe betete. |
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21) Marija Gimbutas: Die Sprache der Göttin, ISBN 3861501201, Zweitausendeins-Verlag,
1996, Seite 316 22) Blau ist das Symbol des Himmels, denn ursprünglich war der Planet Venus der »Stern« der Jungfraugöttin Venus 23) In manchen Darstellungen der drei Heiligen Frauen, beispielsweise auf Frauenaltären, wird statt Margarethe, Maria dargestellt. Meistens wird sie dann als reife Frau und Mutter mit Kind dargestellt, die ihren Fuß auf der (Erd)Schlange hat. 24) Wolf-Dieter Storl: Pfanzendevas – Die Göttin und ihre Pflanzenengel, ISBN 3855025681, AT-Verlag, Juli 2001, S. 35 25) Matronen und verwandte Gottheiten. Göttinger Akademie für die Altertumskunde. ISBN 3792709341, Rheinland-Verlag Köln. Seite 213 ff |
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